Job kündigen ohne neuen Job? Meine Erfahrung

Vor einem Jahr habe ich beschlossen, meinen unbefristeten Job zu kündigen. Die Stelle war super, die Kollegen nett, die Arbeitsbedingungen auch. Dennoch habe ich mich entschieden meinen Job zu kündigen ohne einen neuen Job im Visier zu haben – oder überhaupt eine Vorstellung davon, was danach kommt.

Wieso diese Entscheidung für mich nötig war und welche Auswirkungen sie bisher auf mein Leben hatte, möchte ich zukünftig auf diesem Blog teilen.

Rein ins Hamsterrad: Gesellschaftliche Erwartungen

Wie viele andere auch, bin ich mit einer bestimmten Vorstellung davon aufgewachsen, wie ein Lebenslauf auszusehen hat: Nach der Schule folgt eine weiterführende Ausbildung oder ein Studium. In dem erlernten Job wird man Vollzeit arbeiten und auf ein Eigenheim sparen, bis eines Tages das erste Kind kommt.

Ab dann „darf“ der Wechsel auf Teilzeit folgen, um mehr Zeit für die Familie zu haben. Und: eine Stelle kündigt man erst dann, wenn die nächste schon gesichert ist. Dieses Schema war mir vertraut. So hatte ein Leben angeblich zu verlaufen. Eine Kündigung ohne neuen Job gehörte nicht in diesen Plan. Eine Lücke im Lebenslauf galt es sowieso unbedingt zu vermeiden: Viel zu riskant. 

Die ersten Schritte dieses gesellschaftlich vorgegebenen Weges absolvierte ich ordnungsgemäß. Nach meinem Abitur studierte ich Psychologie. Ich machte meinen Masterabschluss und bewarb mich auf interessante Stellen. Schnell fand ich eine Anstellung in einer Familienberatungsstelle.

Zunächst schien diese Stelle dermaßen fantastisch für mich zu sein, dass ich mich fragte, was mich überhaupt jemals zu einem Wechsel bewegen sollte. Eine bessere Arbeitsstelle im psychologischen Bereich konnte ich mir überhaupt nicht vorstellen.

Meine Arbeitszeiten und die Arbeitszeitgestaltung waren recht flexibel, und es gab eine gesunde Mischung aus abwechslungsreichen Klientenkontakten und schriftlichen Aufgaben. Die Kollegen waren sehr nett und die Arbeitsbedingungen deutlich mitarbeiterfreundlicher als ich es von anderen sozialen Bereichen oder Einrichtungen im Gesundheitswesen mitbekommen hatte.

„Manchmal zeigt sich der Weg erst, wenn man anfängt ihn zu gehen.“

Paulo Coelho

Erste Zweifel und Frust

Es dauerte dennoch gar nicht so lange, bis ich mich unausgeglichen und reizbar fühlte. Die Arbeit an sich und der Weg ins Büro nahmen einen derart großen Teil meiner Zeit ein, dass für andere Interessensbereiche abseits der Psychologie nur wenig Zeit blieb.

Fünf Tage arbeiten und zwei Tage Wochenende: das hatte für mich noch nie nach einem angemessenen Verhältnis geklungen. Um wie vieles ansprechender klang dagegen doch eine „Vier-Stunden-Woche“*, wie Timothy Ferris sie so verheißungsvoll in seinem berühmten Buch nennt.

Mir wurde schnell klar, dass Vollzeit im Büro zu arbeiten nicht mein Lebensentwurf sein soll. Nach etwa einem Jahr nutzte ich das Recht auf Teilzeit. Ich reduzierte meine Stunden auf 30 pro Woche. So konnte ich mir freitags frei nehmen. Ich nutzte zusätzlich zu den üblichen Urlaubstagen das Recht auf fünf Tage Bildungsurlaub im Jahr. Davon erhoffte ich mir die nötige Abwechslung und geistigen Ausgleich.

Wieder hatte ich in der Anfangszeit das Gefühl, nun auf dem richtigen Weg zu sein und ewig so weitermachen zu können. Und wieder hielt dieses Gefühl nicht lange. Als aufgrund der Corona Pandemie für einige Wochen auf Home Office umgeschaltet wurde, spürte ich einen immensen Zugewinn an Lebenszufriedenheit. Meine Pausen konnte ich plötzlich für Spaziergänge nutzen, die durch das Pendeln eingesparte Zeit mit anderen Dingen verbringen, die mir gut taten. Ich verbrachte deutlich mehr Zeit draußen.

Auf der Arbeit bevor ich beschloss, dass ich den Job kündigen sollte.
Job kündigen ohne neuen Job

Suche nach Alternativen zur Kündigung

Mit der Rückkehr ins Büro im Mai 2020 kehrte auch meine Unruhe zurück.

Neben der Tatsache, dass ich meine Zeit weniger frei gestalten konnte merkte ich, dass der an sich schöne und abwechslungsreiche Job als Psychologin für mich als introvertierten Mensch häufig eine Belastung darstellte. Jeden Tag dazu gezwungen zu sein, mit vielen Menschen persönlich zu interagieren, ohne einen Rückzugsraum wie zuhause zu haben, stresste mich.

In dieser Phase überlegte ich oft, wie ich mein Arbeitsleben zukünftig gestalten könnte. Monatelang waren meine Überlegungen noch eher vorsichtiger Natur: im Sinne des Frugalismus oder der FIRE-Bewegung zunächst monatlich möglichst viel Geld sparen und an der Börse investieren, um mit Mitte 40 irgendwann finanziell unabhängig zu sein? Bis dahin alle paar Jahre eine andere Psychologen-Stelle suchen, um mehr Abwechslung zu bekommen? Zwischendurch so etwas wie ein Sabbat-Jahr nutzen, um mal etwas länger reisen zu können?

Ein Berufswechsel oder eine Kündigung ohne eine alternative Stelle zu haben, waren immer noch nicht Teil meines „So-kann-ein-Leben-verlaufen“- Schemas – und darum lange keine Optionen, an die ich zu denken wagte.

Der Entschluss: Endlich den Job kündigen

Um mehr Zeit draußen zu verbringen, nutzte ich meine Urlaubstage also fürs „Wwoofen“. Dabei hilft man auf biologischen Höfen gegen Kost und Logis aus. Dabei lernte ich andere Lebensmodelle kennen. Menschen, die bisher weitestgehend ohne Standardjob gelebt haben, die zu Fuß, mit dem Fahrrad oder mit einem Van gereist sind und dabei von nur wenig Geld lebten. Endlich wurde mein Schema davon, wie ein Menschenleben verlaufen kann, erweitert. Natürlich hört und liest man immer wieder von alternativen Lebensmodellen, aber erst der direkte Kontakt damit machte diese Option für mich greifbar.

Als mir im Juli 2022 beim Wwoofen jemand sagte, ich solle doch einfach meinen Job kündigen, ohne einen neuen Job zu haben, lachte ich anfangs noch. Ich tat die Idee als unrealistisch ab. Doch der Samen war gesät und wuchs schnell. Der Gedanke ließ mich nicht los. Nicht einmal einen Monat später, sobald ich zurück auf der Arbeit war, reichte ich meine Kündigung ein. Das war, trotz aller Nervosität vor dem Kündigungsgespräch, ein wahrer Befreiungsschlag. 

Was kam nach der Kündigung?

Einen Plan, was ich alternativ machen möchte hatte ich damals noch nicht. Aber ich hatte keine Angst mehr vor einer kurzen Phase der Arbeitslosigkeit, sondern sah sie als Gelegenheit, mich neu zu orientieren – um am Ende eine neue Stelle oder ein ganz neues Arbeitsumfeld finden zu können, das gesünder für mich ist.

Nach meiner Kündigung erhielt ich zunächst eine Sperre für das Arbeitslosengeld, da ich eigeninitiativ gekündigt hatte. Dank eigener Rücklagen war das kein Problem.

Ein großer Schritt, den ich noch keinen Tag bereut habe

Weil ich selbst erlebt habe, wie wichtig es ist, Beispiele verschiedener Lebensmodelle zu sehen um das Richtige für sich selbst zu finden, habe ich mich dafür entschieden, meinen Weg nach der Kündigung mit anderen zu teilen. Denn viele der Beispiele, von denen man sonst hört sind Menschen, die von Anfang an einen anderen, unüblichen Lebensweg hatten.

Meiner verlief zunächst in den üblichen Bahnen, bis ich mich für einen neuen Pfad entschieden habe. Und vielleicht kann mein Weg gerade darum auch andere ermutigen: Man muss nicht schon immer ein bunter Vogel gewesen sein, um plötzlich von gewohnten Pfaden abzuweichen.

Laut Studien sind aktuell sehr viele Arbeitnehmer unzufrieden im Job und denken darüber nach, ihren Job zu kündigen.

Es gibt viele gute Gründe zu kündigen. Aber es ist auch dann in Ordnung zu gehen, wenn man auf der Arbeit nicht gemobbt wird, das Gehalt in Ordnung ist, deine Vorgesetzten freundlich sind und auch keine anderen groben Missstände herrschen. Das sind natürlich allesamt gute Gründe, sich im aktuellen Job unwohl zu fühlen. Es ist aber auch vollkommen in Ordnung, wenn du kündigst, weil du einfach etwas suchen möchtest, das dir mehr Spaß macht. 

Wenn du genau weißt, was du lieber machen möchtest, kannst du dich natürlich auch schon vorab gut auf Jobsuche begeben und auf neue Stellen bewerben. Für mich war der Leerraum allerdings sehr gut, um zur Ruhe zu kommen und in mich selbst hineinhorchen zu können.

Wenn du noch unsicher bist, ob du deinen Job kündigen solltest, schau doch einmal bei meinem Artikel „Jobwechsel: 7 Gründe dafür“ vorbei.

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2 Kommentare

  1. Felizitas M.

    Sehr schön, angelehnt an die Videos, die ich schon sah. Sehr ansprechend erzählt! Deutlich Mut machend.

    Antworten
    • Anna

      Dankeschön, das freut mich 🙂

      Antworten

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  1. Herausforderungen meistern und selbstbestimmter leben - CheerUpYourLife - […] ich mit dem ungelebten Berufswunsch erfolgreicher geworden wäre, als ich es jetzt bin? Was wäre, wenn ich noch heute…

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